Risikoanalysen, wie sie unsere immer komplexer werdende Gesellschaft steuern, reduzieren Ungewissheit auf das Erwartbare. Dabei lehrt uns die Corona-Krise eher das Gegenteil: die Beinahe-Gewissheit des Unerwarteten. Not tut eine Blick- und Denkwende.
Mit diesem Beitrag beginnt Prof. Dr. Walter Herzog eine mehrteilige Betrachtung im Wochenzyklus über Bildung und Wissenschaft im Zeichen der Corona-Krise. Zunächst geht es um die pädagogische Kern- und Sinnfrage jeder Bildung: Denken als Lernziel.
Akademisches Wissen wird für gewöhnlich höher bewertet als praktisches Know-how. Doch das ist – recht betrachtet – eigentlich ein grosses Missverständnis.
Maschinen, die sich in alltäglichen Situationen wie Menschen verhalten. Das ist das Ziel der KI-Forschung. Aber der gesunde Menschenverstand kann manchmal ziemlich ungesund sein.
Selbstverständlich braucht die Kulturindustrie eine ähnliche Unterstützung wie andere Sektoren. Aber muss man diese Ansprüche wirklich damit begründen, dass Menschen ohne Kultur-Events nicht leben können?
Es ist von archetypischer Symbolik, wenn das Virus, das zurzeit um die Welt geht, die von ihm Infizierten mit Atemnot kämpfen lässt. Der Kampf gegen die Pandemie zwingt uns eine radikale Form von «Immanenzverdichtung» auf. Wir aber brauchen Luft und Weitung.
Die Stimmung schlägt um. Immer mehr Bürger üben Kritik an den deutschen Pandemie-Massnahmen. Agitatoren versuchen diese Lage zu nutzen, um Aufruhr und Umsturzphantasien in die Gesellschaft zu tragen.
Zwischen der Würde des Menschen und dem Schutz seines Lebens besteht ein enger Zusammenhang. Eine humane Gesellschaft achtet die Würde eines Menschen auch über seinen Tod hinaus. Und sie achtet die Menschenwürde nicht nur im Blick auf die einzelne Person, sondern auch im Blick auf die menschliche Gattung.
Zurzeit dominiert der virologische Imperativ die Politik: Alle Menschen gehören isoliert, damit sich niemand mehr anstecken kann. Dieser Imperativ lässt jedoch viele alternative Gebote (und Nebenwirkungen) unbedacht.
In der individuellen und kollektiven Praxis ist es manchmal gut, mit dem Schlimmsten zu rechnen und sich darauf einzustellen. Das bedeutet aber nicht, dieses zu einer dogmatischen Wahrheit zu erklären, der sich alle zu unterwerfen hätten.