Im Gymnasium soll es künftig mehr Grundlagenfächer geben – darunter Philosophie, Informatik, Sport oder Religion. Diskutiert werden auch zusätzliche Abschlussprüfungen und eine Vertiefung wie in einem britischen College. Rektoren und Lehrer sind skeptisch.
In der Schweiz hat die erste Gymnasialreform seit fast 30 Jahren begonnen. Hunderte Experten sind involviert. Der Co-Projektleiter Daniel Siegenthaler erklärt, was Maturandinnen und Maturanden künftig können müssen, welche Inhalte wichtiger werden – und was beim Reizthema Noten passieren soll.
Nicht ganz unerwartet hat der Beitrag von Professor Markus Wilhelm (Zu oft wird der Bildungsbegriff im gymnasialen Schulalltag gleichgesetzt mit Wissensvermittlung, 5.10.2020) eine Reaktion ausgelöst. Sie stammt von unserem Condorcet-Autor Felix Schmutz.
Die Volksschulen arbeiten längst kompetenzorientiert. Im Rahmen der nun anstehenden Reform der Gymnasien wird auch die Forderung laut, die Maturitätsschulen müssten nachziehen und ihre Lehrpläne kompetenzorientiert umgestalten. Prof. Dr. Markus Wilhelm von der PH-Luzern und Yasemin Dinekli, Kantonschullehrerin in Zürich, sehen das unterschiedlich. Hier zunächst der Pro-Beitrag von Markus Wilhelm.
Vor einigen Monaten erhielt die Präsidentin unseres Condorcet-Trägervereins und Mitglied der Redaktion Yasemin Dinekli eine Anfrage, ob sie bereit sei, in der aktuellen Kompetenzdebatte – die inzwischen auch in den Gymnasien angekommen ist – einen kritischen Gegenartikel für den «Rundgang», ein Magazin des Klett-Verlags zu verfassen. Sie nahm an und schrieb. Was darauf folgte, können Sie im folgenden Beitrag lesen.
Der Schweizer Maturität steht ein Lifting bevor. Derzeit brüten Experten über neuen Fächern und neuen Lehrplänen. Das Ziel: ein einheitlicheres und gerechteres System. Kann das gelingen?
Die Stundentafeln aus der Vergangenheit erlauben einen aufschlussreichen Vergleich sich verändernder Bildungsideale.
Die 1589 gegründete Schule auf Burg in Basel ist eines der ältesten Gymnasien der Schweiz. Heute heisst es Gymnasium am Münsterplatz. Seine Stundentafeln erlauben einen aufschlussreichen Vergleich sich verändernder Bildungsideale. Dargestellt ist der Anteil aller obligatorischen Fächer für eine Matur mit dem Schwerpunkt alte Sprachen (Griechisch und Latein) zwischen 1620 und 2013. Daneben gibt es in der Schweiz seit fast 100 Jahren die Möglichkeit, die Matur mit anderen Schwerpunkten ohne Griechisch und Latein abzulegen.
Auffallend ist die zunehmende Vielfalt des Lernangebots. Bestand das Curriculum 1620 aus nur 6 Fächern, so sind es heute fast 20. Latein verlor seine dominierende Position und machte Platz für Deutsch, Französisch, Mathematik, Geschichte und Geographie. Während der obligatorische Religionsunterricht und das Schönschreiben ihren Platz auf dem Stundenplan einbüssten, stiegen die Naturwissenschaften Biologie, Physik und Chemie auf. Englisch gehört beim Schwerpunkt alte Sprachen nicht zu den obligatorischen Fächern.
Die Gymnasien erhalten neue Lehrpläne in der ganzen Schweiz. In Zürich ist das Projekt schon weit fortgeschritten. Die Geografen wehren sich gegen einen Abbau ihres Fachs.
Bildung beruht auf der Auseinandersetzung des Individuums mit den Wissensformen, die es ihm ermöglichen, sich in der Welt zu orientieren. Die Entscheidung, die persönliche Reife als gymnasiales Bildungsziel auszuscheiden, ist zu korrigieren.